Skybird
03-26-06, 06:06 AM
I found this at Heise/Telepolis today, on Bismarck and his cultural clash with Katholicism - which may held a lesson for today'S unacknowledged clash with Islam as well. Maybe I take the time to translate it later this day, until then: it is German only, sorry.
Den Schuss von Bad Kissingen nicht gehört
Marcus Hammerschmitt 26.03.2006
Alle sind gegen den Kulturkampf. Warum eigentlich?
1874 entging Otto von Bismarck in Bad Kissingen nur knapp einem Mordanschlag. Der 21-jährige Böttchergeselle Eduard Franz Ludwig Kullmann hatte ihn töten wollen, traf ihn aber nur in die Hand. An sich ist das eher eine Fußnote in der Geschichte politischer Attentate, wenn da nicht die Beweggründe des jungen Pistolenschützen gewesen wären: Er wollte Bismarck für das bestrafen, was im Reichstag und in der Öffentlichkeit als Kulturkampf wahrgenommen wurde.
Darunter verstand man die Anstrengungen Bismarcks, den Einfluss des politischen Katholizismus innen- wie außenpolitisch zurückzudrängen. Papst Pius IX, in Furcht vor der heraufziehenden Moderne, hatte 1864 erst eine Enzyklika heraus gegeben ( Quanta Cura), zusammen mit dem Anhang Syllabus Errorum, in dem er alles als Irrlehre verdammte, was nicht ins katholische Weltbild passte. Dann hatte er sich 1870 auf dem Ersten Vatikanischen Konzil allen Ernstes für unfehlbar erklären lassen.
Das wurde in verschiedenen Ländern Europas als Provokation begriffen, Bismarck sah außerdem in Europa eine katholische Internationale am Werk, die die Integrität seines Lebenswerks gefährdete, nämlich des jungen, auf Krieg gegründeten neuen Deutschen Reichs nach preußischer Manier. Die Zentrumspartei war für ihn wenig mehr als der deutsche Ableger dieser katholischen Internationale, die ihm auf ähnliche Weise bedrohlich schien, wie die echte, die kommunistische. Auf die Machtansprüche des Papismus reagierte er mit einer Reihe von Gesetzen, die von den Katholiken wiederum als zweite Auflage der Christenverfolgung begriffen wurden.
In Folge des offenen Widerstands der katholischen Kirche gegen diese Maßnahmen kam es auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung auch zu Haftstrafen gegen Bischöfe. Graf Mieczyslaw Halka Ledochowski, der Erzbischof von Gnesen-Posen, war für zwei Jahre in Haft.
Es ist schon erstaunlich, wie oft Bismarck von heutigen Kommentatoren in dieser Hinsicht schlechte Noten ausgestellt werden, auch wenn sie ihn als Blut- und Eisenkanzler völlig ok finden. Tatsächlich war seine Initiative politisch kein Erfolg, die Zentrumspartei hatte am Ende des Kulturkampfs doppelt so viele Wähler wie vorher. Man braucht Bismarck wegen des Kulturkampfs keine progressiven Tendenzen anzudichten, genauso wenig wie wegen seiner Sozialgesetzgebung, die ohne den Druck der Arbeiterbewegung nie zustande gekommen wäre.
Aber Tatsache ist, dass die Deutschen zivilisatorische Mindeststandards wie die Zivilehe, den erleichterten Kirchenaustritt und die öffentliche Aufsicht über das Schulwesen einem reaktionären Sack zu verdanken haben, der wusste, was die Religion in der Politik anrichten kann, und der sich damit nicht kampflos abfinden wollte. Dafür hasste ihn der fanatische Katholik Kullmann und dafür mag ihn offenbar die Geschichtsschreibung immer noch nicht so recht. Aber kann man heute eigentlich die Signifikanz des Schusses von Bad Kissingen und seines gesellschaftlichen Umfelds übersehen, wo religiöse Fanatiker schon viel geringere Provokationen als die Gesetze Bismarcks zum Anlass nehmen, ihre Gegner zu bedrohen und zu ermorden?
Säkularisierung wäre dringend nötig
Mit anderen Worten, wäre es angesichts der Tatsache, dass heutzutage alle möglichen Bewegungen, vor allem aber der politische Islam, Schwierigkeiten mit der Trennung von Kirche und Staat demonstrieren, nicht höchste Zeit für einen neuen Kulturkampf - als Kampf gegen den schleichenden Rückfall der Kultur in den Kultus? Der Kulturkampf Bismarcks wurde von den falschen Leuten mit den falschen Mitteln geführt - eine reaktionäre Verwaltungselite versuchte mit den Mitteln des Verbots und der Repression des Katholizismus Herr zu werden, errang am Ende nur Teilerfolge, und das auch noch eher unbeabsichtigt. Wie wäre es heute mit einem Kulturkampf von unten? Mit einer Bewegung, die die religiösen Streithähne gleich welcher Herkunft voneinander trennt, indem sie einen gesellschaftlichen Raum erschafft, in dem religiöse Überzeugungen grundsätzlich als Privatsache verstanden und die Herrschaftsansprüche organisierter Religion grundsätzlich entmutigt werden?
Wie wäre es, wenn ein solcher Kulturkampf in dem Bewusstsein geführt würde, dass besonders die Auseinandersetzung mit dem Islam nicht von neurotischer Furcht vor dem Fremden bestimmt sein sollte, sondern von der informierten Ablehnung eigener destruktiver Traditionen, die der Abschaffung entgangen sind. Frauenfeindlichkeit , Antisemitismus, religiöser Wahn nicht als Fehler von denen da, sondern als das Eigene, das uns in der Gestalt des Fremden begegnet, und gerne hier wieder Platz greift, wenn es eine Chance dazu sieht - in welchem Kostüm auch immer.
Ein schöner Gedanke. Leider krankt er an verschiedenen Mängeln. So fehlt zum Beispiel einer militanten Aufklärung der beschriebenen Art völlig die Massenbasis. Wo sollen die Vielen denn herkommen, die islamistischen Umzügen das Recht auf Wahrheit entgegenhalten oder von der BRD die Abschaffung der Kirchensteuer und des Gotteslästerungsparagraphen einfordern? Obwohl dafür Potenziale vorhanden sind, interessanterweise vor allem bei einem Teil der hiesigen Moslems (vgl. Tatmotiv Ehre), gibt der bundesrepublikanische Bewusstseinsstand eine "kritische Masse" nicht her. Eher hört man in den Medien jede Menge Tiraden über religiöse Gefühle und Aufrufe zur "Toleranz", die die Opfer der Intoleranten als lebensbedrohlich empfinden.
Und natürlich stimmt es: Die Gefahr ist groß, dass der Kampf gegen eine destruktive Ideologie als Einladung zum Pogrom gegen ihre Anhänger verstanden wird, so dass plötzlich der moslemische Nachbar next door mit dem Hass der Imame verwechselt wird, die ihn zum Dschihad anstacheln wollen. Dennoch wäre Säkularisierung dringender nötig als je. Und aus den Erfahrungen der Bismarck-Ära und dem Schuss von Bad Kissingen ist noch heute zu lernen, DASS FREIHEIT NICHT, WIE MANCHE MEINEN, DURCH EINE EINBINDUNG RELIGIÖSER HERRSCHAFTS- UND DEUTUNGSANSPRÜCHE IN DIE POLITIK ZU HABEN IST, SONDERN NUR IM KONFLIKT MIT IHNEN.
Den Schuss von Bad Kissingen nicht gehört
Marcus Hammerschmitt 26.03.2006
Alle sind gegen den Kulturkampf. Warum eigentlich?
1874 entging Otto von Bismarck in Bad Kissingen nur knapp einem Mordanschlag. Der 21-jährige Böttchergeselle Eduard Franz Ludwig Kullmann hatte ihn töten wollen, traf ihn aber nur in die Hand. An sich ist das eher eine Fußnote in der Geschichte politischer Attentate, wenn da nicht die Beweggründe des jungen Pistolenschützen gewesen wären: Er wollte Bismarck für das bestrafen, was im Reichstag und in der Öffentlichkeit als Kulturkampf wahrgenommen wurde.
Darunter verstand man die Anstrengungen Bismarcks, den Einfluss des politischen Katholizismus innen- wie außenpolitisch zurückzudrängen. Papst Pius IX, in Furcht vor der heraufziehenden Moderne, hatte 1864 erst eine Enzyklika heraus gegeben ( Quanta Cura), zusammen mit dem Anhang Syllabus Errorum, in dem er alles als Irrlehre verdammte, was nicht ins katholische Weltbild passte. Dann hatte er sich 1870 auf dem Ersten Vatikanischen Konzil allen Ernstes für unfehlbar erklären lassen.
Das wurde in verschiedenen Ländern Europas als Provokation begriffen, Bismarck sah außerdem in Europa eine katholische Internationale am Werk, die die Integrität seines Lebenswerks gefährdete, nämlich des jungen, auf Krieg gegründeten neuen Deutschen Reichs nach preußischer Manier. Die Zentrumspartei war für ihn wenig mehr als der deutsche Ableger dieser katholischen Internationale, die ihm auf ähnliche Weise bedrohlich schien, wie die echte, die kommunistische. Auf die Machtansprüche des Papismus reagierte er mit einer Reihe von Gesetzen, die von den Katholiken wiederum als zweite Auflage der Christenverfolgung begriffen wurden.
In Folge des offenen Widerstands der katholischen Kirche gegen diese Maßnahmen kam es auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung auch zu Haftstrafen gegen Bischöfe. Graf Mieczyslaw Halka Ledochowski, der Erzbischof von Gnesen-Posen, war für zwei Jahre in Haft.
Es ist schon erstaunlich, wie oft Bismarck von heutigen Kommentatoren in dieser Hinsicht schlechte Noten ausgestellt werden, auch wenn sie ihn als Blut- und Eisenkanzler völlig ok finden. Tatsächlich war seine Initiative politisch kein Erfolg, die Zentrumspartei hatte am Ende des Kulturkampfs doppelt so viele Wähler wie vorher. Man braucht Bismarck wegen des Kulturkampfs keine progressiven Tendenzen anzudichten, genauso wenig wie wegen seiner Sozialgesetzgebung, die ohne den Druck der Arbeiterbewegung nie zustande gekommen wäre.
Aber Tatsache ist, dass die Deutschen zivilisatorische Mindeststandards wie die Zivilehe, den erleichterten Kirchenaustritt und die öffentliche Aufsicht über das Schulwesen einem reaktionären Sack zu verdanken haben, der wusste, was die Religion in der Politik anrichten kann, und der sich damit nicht kampflos abfinden wollte. Dafür hasste ihn der fanatische Katholik Kullmann und dafür mag ihn offenbar die Geschichtsschreibung immer noch nicht so recht. Aber kann man heute eigentlich die Signifikanz des Schusses von Bad Kissingen und seines gesellschaftlichen Umfelds übersehen, wo religiöse Fanatiker schon viel geringere Provokationen als die Gesetze Bismarcks zum Anlass nehmen, ihre Gegner zu bedrohen und zu ermorden?
Säkularisierung wäre dringend nötig
Mit anderen Worten, wäre es angesichts der Tatsache, dass heutzutage alle möglichen Bewegungen, vor allem aber der politische Islam, Schwierigkeiten mit der Trennung von Kirche und Staat demonstrieren, nicht höchste Zeit für einen neuen Kulturkampf - als Kampf gegen den schleichenden Rückfall der Kultur in den Kultus? Der Kulturkampf Bismarcks wurde von den falschen Leuten mit den falschen Mitteln geführt - eine reaktionäre Verwaltungselite versuchte mit den Mitteln des Verbots und der Repression des Katholizismus Herr zu werden, errang am Ende nur Teilerfolge, und das auch noch eher unbeabsichtigt. Wie wäre es heute mit einem Kulturkampf von unten? Mit einer Bewegung, die die religiösen Streithähne gleich welcher Herkunft voneinander trennt, indem sie einen gesellschaftlichen Raum erschafft, in dem religiöse Überzeugungen grundsätzlich als Privatsache verstanden und die Herrschaftsansprüche organisierter Religion grundsätzlich entmutigt werden?
Wie wäre es, wenn ein solcher Kulturkampf in dem Bewusstsein geführt würde, dass besonders die Auseinandersetzung mit dem Islam nicht von neurotischer Furcht vor dem Fremden bestimmt sein sollte, sondern von der informierten Ablehnung eigener destruktiver Traditionen, die der Abschaffung entgangen sind. Frauenfeindlichkeit , Antisemitismus, religiöser Wahn nicht als Fehler von denen da, sondern als das Eigene, das uns in der Gestalt des Fremden begegnet, und gerne hier wieder Platz greift, wenn es eine Chance dazu sieht - in welchem Kostüm auch immer.
Ein schöner Gedanke. Leider krankt er an verschiedenen Mängeln. So fehlt zum Beispiel einer militanten Aufklärung der beschriebenen Art völlig die Massenbasis. Wo sollen die Vielen denn herkommen, die islamistischen Umzügen das Recht auf Wahrheit entgegenhalten oder von der BRD die Abschaffung der Kirchensteuer und des Gotteslästerungsparagraphen einfordern? Obwohl dafür Potenziale vorhanden sind, interessanterweise vor allem bei einem Teil der hiesigen Moslems (vgl. Tatmotiv Ehre), gibt der bundesrepublikanische Bewusstseinsstand eine "kritische Masse" nicht her. Eher hört man in den Medien jede Menge Tiraden über religiöse Gefühle und Aufrufe zur "Toleranz", die die Opfer der Intoleranten als lebensbedrohlich empfinden.
Und natürlich stimmt es: Die Gefahr ist groß, dass der Kampf gegen eine destruktive Ideologie als Einladung zum Pogrom gegen ihre Anhänger verstanden wird, so dass plötzlich der moslemische Nachbar next door mit dem Hass der Imame verwechselt wird, die ihn zum Dschihad anstacheln wollen. Dennoch wäre Säkularisierung dringender nötig als je. Und aus den Erfahrungen der Bismarck-Ära und dem Schuss von Bad Kissingen ist noch heute zu lernen, DASS FREIHEIT NICHT, WIE MANCHE MEINEN, DURCH EINE EINBINDUNG RELIGIÖSER HERRSCHAFTS- UND DEUTUNGSANSPRÜCHE IN DIE POLITIK ZU HABEN IST, SONDERN NUR IM KONFLIKT MIT IHNEN.