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View Full Version : Zwei historische Schießverfahren - Ausdampf- und Auswanderungsverfahren


derstosstrupp
10-28-15, 05:11 PM
Gruß,
Ich stelle hier zwei Schießverfahren bzw. Methoden zur Ermittlung von Schußunterlagen vor, die sich nach wiederholten Proben in der Marineakademie in SH3 als erfolgreich erwiesen haben, und die 100% historisch korrekt sind (was die anderen Realismus-Schwärmer sicherlich erfreuen wird). Ich benutze NYGM Supermod mit Hitman GUI.
Diese Methoden sind:
1. Ausdampfverfahren - (konstante Gegnerpeilung)
a. Vorteile/Voraussetzungen:
i. erfordert keine ermittelten Werte für Gegnerlage oder Fahrt vor dem Schuß
ii. erfordert nur die Erreichung und Erhaltung einer konstanten Peilung zum Gegner (Kollisionskurs) und Kenntnis von eigener Fahrt
iii. erfordert Entfernungsschätzung zur Parallax-Korrektur unmittelbar vor dem Schuß (diese kann grob geschätzt werden)
iv. kann dadurch eigentliche Gegnerfahrt ableiten mit genauer Kenntis von Gegnerlage
b. Nachteile:
i. ungünstig bei spitzer Gegnerlage, da Kollisionskurs erforderlich und dadurch der Auftreffwinkel beim Ziel für den Torpedo dementsprechend klein ist
ii. weniger genau als Koppelverfahren beim Überholen, und daher am besten dann anzuwenden, wenn eine vorliche Position (sagen wir Lage 45) beim Insichtkommen des Zieles schon vorhanden ist
iii. für Überwasserangriffe bei Nacht besser nicht anzuwenden, da die Hundekurve (Bug zum Gegner) zur Verminderung von Eigensilhouette verfolgt werden sollte

2. Auswanderungsverfahren - (Peilungsveränderung in 1 Minute)
a. Vorteile/Voraussetzungen:
i. erfordert keine ermittelten Werte für Gegnerlage oder Fahrt vor dem Schuß
ii. erfordert eine grobe Entfernungsschätzung, eigene Fahrt, und Peilungsveränderung des Gegners in Zeitstrecke von 1 Minute
iii. erfordert Entfernungsschätzung zur Parallax-Korrektur unmittelbar vor dem Schuß (diese kann grob geschätzt werden)
iv. kann bei weitem Abstand vom Gegner im Laufe des Überholungsmanövers zur Ermittlung eines groben Gegnerfahrt-Wertes unter Zugrundelegung einer grob-geschätzten Gegnerlage angewendet werden, ohne die Maschinen drosseln zu müssen und dabei Zeit zu verlieren
v. kann dadurch eigentliche Gegnerfahrt ableiten mit genauer Kenntis von Gegnerlage
vi. gewährt mehr Handlungsfreiheit als Ausdampfverfahren, da die Erhaltung eines Kollisionskurses nicht erforderlich ist
b. Nachteile:
i. weniger genau als Ausdampfverfahren und Koppelverfahren beim Überholen, und daher am besten dann anzuwenden, wenn eine vorliche Position (sagen wir Lage 45) beim Insichtkommen des Zieles schon vorhanden ist
ii. ungünstig bei spitzer Gegnerlage, da dadurch der Auftreffwinkel beim Ziel für den Torpedo dementsprechend klein ist und die Gegnerpeilung zur 1-Minute-Messung sich wenig verändert
Natürlich sind die Ergebnisse jeder Methode nur dann gültig, wenn der Gegner Kurs und Fahrt hält. Für beide Methoden ist ein Taschenrechner mit Trigonometriefunktionen unentbehrlich (anders gesagt, der liebe 1. WO, der unmittelbar neben dir steht mit Rechenschieber in der Hand...).
Ich möchte hier sagen, dass diese Ideen keine originellen sind. Es handelt sich hier um historische Methoden, die aus der Torpedo-Schießvorschrift von 1930 stammen. Meine Kenntnis von diesen Methoden schreibe ich dem Herrn zu, der folgende Webseite gemacht hat:
http://www.tvre.org/en/acquiring-torpedo-firing-data
Diese Seite behandelt alles Drum und Dran über den Torpedo-Vorhaltrechner bzw. dessen historischen Gebrauch und ist ein Muss für jeden, der sie noch nicht gelesen hat. Der Link oben erläutert die Methoden zur Ermittlung von Schußunterlagen inklusiv derer, auf die ich in den folgenden Posts näher eingehen werde. Ich wollte diese Methoden bloß in einem Thread für alle klarlegen, damit sie in SH3 wohlverdient und überfällig zur Anwendung kommen.
Weiteres folgt in kommenden Posts :salute:

derstosstrupp
10-28-15, 05:12 PM
Erstens:
Vorliche Position zum Gegner erreichen. Tauchen sobald ausreichend vorliche Position erreicht ist. Sonst ist keine konstante Peilung zum Gegner möglich bei großen Gegnerlagen und geringer eigener Unterwasserfahrt. Aufpassen, dass man nicht zu weit vordrängt, weil dann der Auftreffwinkel für den Torpedo zu klein sein wird.
Zweitens:
Kollisionskurs zum Ziel aufnehmen durch Anpassung von eigener Fahrt oder Ab- bzw. Zudrehen. Die Gegnerpeilung soll dann stehenbleiben.
Drittens:
Konstante Peilung bestenfalls 10-15 Minuten erhalten, womöglich die 10-15 Minuten unmittelbar vor dem Schuß. Diese Zeitstrecke läßt sicher sein, dass man wirklich Kollisionskurs steuert, ist aber in der Praxis ein wenig lang und man könnte mit viel weniger auskommen, sagen wir 3-4 Minuten. Diese Zeit ausnutzen, um die Aale zum Schuß klarzumachen (Tiefe, Zünder, Mündungsklappen etc.).
Viertens:
Vorhaltrechner zum Schuß vorbereiten.
1. Mit Sehrohr auf Ziel geheftet (hoffentlich hat man bislang diese Kollisionspeilung erhalten), Lage 90 rot od. grün einstellen, je nach Bugrichtung des Gegners.
2. Einzustellende Gegnerfahrt ermitteln:
a. Eigene Fahrt x sin(Gegnerpeilung) = einzustellende Gegnerfahrt. Wohlgemerkt, das ist die Peilung vom eigenen Bug, das heißt, bleibt er bei 330 Grad konstant, dann soll 30 Grad für die Formel benutzt werden!
3. Entfernung unmittelbar vor dem Schuß messen bzw. schätzen und einstellen. Vorhaltrechner einschalten. Das muss unbedingt gemacht werden, um Parallax-Fehler vorzubeugen. Solche Fehler entstehen deswegen, weil man seine Aale schließlich nicht durch das Sehrohr schießt! Es sei denn, der Schußwinkel liegt innerhalb 10 Grad oder so vom eigenen Bug, mithin solche Fehler dann nicht zu befürchten sind. Einfach die Werkzeuge benutzen, die in eurem GUI zur Verfügung stehen. Ich benutze Hitmans erstklassige GUI, womit man nur über die Striche im Sehrohr eine grobe Entfernungsschätzung bekommt. Das ist mehr als genügend. Merke nur, dass Fehler infolge ungenauer Entfernungsmessung nur bei Schüssen aus kurzer Entfernung mit großem Schußwinkel auftreten können. Nachdem man den Schußwinkel ermittelt hat, könnte man theoretisch dann auch noch zudrehen und abziehen sobald der eigene Bug die Peilung für einen Null-Schußwinkel kreuzt, um die Wende des Torpedos und daraus resultierende Parallax-Fehler zu vermeiden, doch hat sich dieser Vorgang in der Praxis als etwas schwerfällig erwiesen.
Fünftens:
Sofern Schußentfernung stimmt, los!
Dabei habe ich keine Linien, Markierungen, oder Winkel auf der Karte gezeichnet. Es waren auch keine Informationen aus dem Erkennungshandbuch nötig, außer vielleicht einem groben Hinweis auf Masthöhe für eine Entfernungsmessung, wenn dies überhaupt erforderlich wäre bei großem Schußwinkel.

derstosstrupp
10-28-15, 05:13 PM
An Modders – Der Link zur tvre.org Seite oben hat eine Skizze eines für folgende Methode geeigneten Rechenschiebers (siehe Auswanderungsverfahren B, weit unten). Vorgehensweise mit diesem Werkzeug soll relativ selbstverständlich sein, solange man die dahintersteckenden Formel richtig versteht. Makman hat im englischen Forum schon erwähnt, er möchte diesen Rundschieber mal im Spiel implementiert sehen. Da stimme ich zu!
Erstens:
Vorliche Position zum Gegner erreichen. Tauchen sobald ausreichend vorliche Position erreicht ist. Sonst ist keine Annäherung möglich bei großen Gegnerlagen und geringer eigener Unterwasserfahrt. Aufpassen, dass man nicht zu weit vordrängt, weil dann der Auftreffwinkel für den Torpedo zu klein sein wird.
Zweitens:
Kurz vor Schußentfernung folgendes notieren: eigene Fahrt (Ve), geschätzte Entfernung zum Gegner (E), und Gegnerpeilung (b1). Stoppuhr starten. Eigene Fahrt dabei nicht wechseln! Der Rest der Methode dauert nur ein paar Minuten bevor der Schuß fällt – also dementsprechend handeln.
Drittens:
Stoppuhr stoppen und neue Peilung (b2) notieren sobald genau 1 Minute verstrichen ist. Für den Rest der Methode soll die feste Linie des Sehrohrs von dieser Peilung nicht abweichen!
Viertens:
Mit Sehrohr auf (b2) geheftet, Gegnerlage 90 rot od. grün einstellen, je nach Bugrichtung des Gegners.
Also man hat jetzt vier Zahlen notiert: eigene Fahrt (Ve), erste Peilung (b1), Entfernung bei erster Peilung (E) in Hektometer (dies ist wichtig – Entfernungswert durch 100 teilen und Resultat in den folgenden Formeln benutzen), und zweite Peilung (b2). Wohlgemerkt, das ist die Peilung vom eigenen Bug, das heißt, peilt er 330 Grad, dann soll 30 Grad für die Formel benutzt werden! Die Peilungsveränderung (b2-b1) nennen wir also (w). Also jetzt mal Rechenstunde! Oder besser gesagt, der liebe 1. WO neben dir macht sich fleißig an den Rechenschieber. Daher euch nicht schämen, das Spiel inzwischen zu unterbrechen. Die Werte in Klammern oben dienen zum Verweis auf die entsprechenden Werte in den folgenden Formeln.
Fünftens:
Einzustellende Gegnerfahrt ermitteln:
1. (Ve) x sin(b2) = (Vk). Das ergibt die einzustellende Gegnerfahrt WÄREN WIR AUF KOLLISIONSKURS. Das sind wir nicht – die Gegnerpeilung steht nicht, und daher müssen wir dafür korrigieren:
2. (E) x 3,2967 x sin(w) = (d). Nicht vergessen, Entfernungswert in Hektometer umzurechnen (durch 100 teilen)! Der Faktor 3,2967 dient zur Korrektur vom metrischen zum nautischen.
3. (Vk) +/- (d) = einzustellende Gegnerfahrt. Wenn die Peilung einwandert (d.h. Gegnerpeilung wandert Richtung Eigenbug) soll ADDIERT werden. Wenn der Gegner auswandert (d.h. entweder er hinkt nach, oder fährt en passent Richtung Eigenheck), dann soll ABGEZOGEN werden.
Sechstens:
Entfernung unmittelbar vor dem Schuß messen bzw. schätzen und einstellen. Dies soll relativ leicht sein, denn man hat den Wert (E) schon ermittelt, muss also nur im Kopf schätzen, welche Entfernung der Gegner nun nach ein paar Minuten haben würde. Man sollte dabei immernoch auf (b2) sein. Das muss unbedingt gemacht werden, um Parallax-Fehler vorzubeugen. Solche Fehler entstehen deswegen, weil man seine Aale schließlich nicht durch das Sehrohr schießt! Es sei denn, der Schußwinkel liegt innerhalb 10 Grad oder so vom eigenen Bug, mithin solche Fehler dann nicht zu befürchten sind. Einfach die Werkzeuge benutzen, die in eurem GUI zur Verfügung sind. Ich benutze Hitmans erstklassige GUI, womit man nur über die Striche im Sehrohr eine grobe Entfernungsschätzung bekommt. Das ist mehr als genügend. Merke nur, dass Fehler infolge ungenauer Entfernungsmessung nur bei Schüssen aus kurzer Entfernung mit großem Schußwinkel auftreten können. Nachdem man den Schußwinkel ermittelt hat, könnte man theoretisch dann auch noch zudrehen und abziehen sobald der eigene Bug die Peilung für einen Null-Schußwinkel kreuzt, um die Wende des Torpedos und daraus resultierende Parallax-Fehler zu vermeiden, doch hat sich dieser Vorgang in der Praxis als etwas schwerfällig erwiesen.
Siebtens:
Auf (b2), Vorhaltrechner einschalten, Ziel neu erfassen und los! Man wird bemerkt haben, dass man bereits auf Schußentfernung liegt, ist also ein Vorteil dieser Methode, dass der ganze Vorgang mit ein wenig Übung innerhalb von paar Minuten unmittelbar vor dem Schuß erledigt werden kann!
Es gibt auch noch andere Verwendungen für diese Methode, z. B. bei weitem Abstand vom Gegner im Laufe des Überholungsmanövers zur Ermittlung eines groben Gegnerfahrt-Wertes unter Zugrundelegung einer grob-geschätzten Gegnerlage, ohne die Maschinen drosseln zu müssen und dabei Zeit zu verlieren. Wenn Leute Bock darauf haben, werde ich in Zukunft diese zusätzlichen Verwendungen näher erläutern.
Gute Jagd und fette Beute!
:salute: